Physiotherapie
Die Physiotherapie ist ein relevanter Bestandteil des Gesundheitssystems. Ihr Ziel ist es, den Bewegungsapparat des Menschen zu untersuchen und nachhaltig zu stärken. Durch sogenannte "tailored Exercises", Bewegungsübungen, die auf die individuellen Anforderungen der Patient*Innen abgestimmt sind, wird die körperliche Funktionalität, Beweglichkeit und Lebensqualität verbessert. Im Laufe der Zeit hat sich die Physiotherapie zu einer eigenständigen Profession entwickelt und konzentriert sich heutzutage verstärkt auf aktive und evidenzbasierte Ansätze. Die Akademisierung im Bereich der medizinischen Berufe ist heute wichtiger denn je. Folgend möchte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse zu diesem Thema teilen.
EBP
Der Ansatz der evidenzbasierten Physiotherapie
Der Begriff "Evidenz" findet in unterschiedlichen Bereichen Anwendung und prägt dort jeweils verschiedene Hintergründe. Für die evidenzbasierte Physiotherapie ist der Begriff „Evidenz“ in der Rolle der Naturwissenschaft zu betrachten. In diesem Kontext steht Evidenz für einen empirischen Beweis oder Nachweis, welcher durch Messungen bestätigt wird [1]. Das Konzept der evidenzbasierten Praxis in der Physiotherapie, kurz EBP, verkörpert die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung [2]. EBP ist somit ein Ansatz, der auf dem Einsatz von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen basiert, um die Effektivität von physiotherapeutischen Behandlungen zu maximieren.
Die Grundlage für die EBP bildet eine umfassende Bewertung der Patient*Innen und ihrer spezifischen Bedürfnisse. Durch eine genaue Diagnose und eine umfassende Anamnese sind Physiotherapeut*Innen in der Lage, ein maßgeschneidertes Behandlungsprogramm zu entwickeln, das die individuellen Ziele und Einschränkungen berücksichtigt. Hierzu ist eine kontinuierliche Überprüfung der Behandlungsergebnisse notwendig. Durch regelmäßige Bewertungen und Feedback können Physiotherapeut*Innen sicherstellen, dass die Behandlung effektiv ist und den Bedürfnissen der Patient*Innen gerecht wird.
Ein zentraler Grundsatz der EBP ist die kontinuierliche Integration neuer Forschungsergebnisse und klinischer Erkenntnisse in die Behandlungspraxis. Dies bedeutet, dass Physiotherapeut*Innen stets bestrebt sind, ihre Methoden auf dem neuesten Stand der Forschung zu halten und ihre Behandlungsansätze entsprechend anzupassen. Das Ziel ist es, die bestmöglichen Ergebnisse für die Patient*Innen, basierend auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen, zu erzielen.
Ein wichtiger Aspekt der EBP ist die kontinuierliche Überprüfung der aktuellen Forschung und Literatur. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind in die beste derzeit verfügbare Evidenz und nicht die bestmögliche Evidenz zu unterscheiden [2]. Veröffentlichte Publikationen und Studien sind nicht analog mit hochwertiger Qualität. Des Weiteren ist hervorzuheben ist, dass externe Evidenz zwar die individuelle klinische Expertise erweitern kann, aber diese niemals vollumfänglich ersetzt [2].
Evidenzbasierte Physiotherapie ist eine Wissensmanagementstrategie, deren bewusste Anwendung die Glaubwürdigkeit der Physiotherapie fördert und zu einer autonomen Profession beiträgt [2]. Im interprofessionellen Kontext erleichtert EBP die interprofessionelle Kommunikation und unterstützt Finanzierungsentscheidungen im Gesundheitswesen [2]. Umso wichtiger ist die Implementierung von evidenzbasierter Physiotherapie in die Praxis. Die hemmenden Barrieren sind vielseitig. Aldajah et al. beschreiben in ihrer Studie vier signifikante Prädiktoren für die EBP-Implementierung. Neben dem Verständnis wissenschaftlicher Terminologien und der Unterstützung der klinischen Einrichtung sind die formale Ausbildung sowie die Tätigkeiten als Physiotherapeut*In entscheidend für die Anwendung von EBP [3]. Diese Erkenntnisse können durch die Studie von Scurlock et al. bestätigt und um weitere Faktoren ergänzt werden. Ein Mangel an Zeit und Fähigkeiten sowie Fehleinschätzungen von EBP haben einen entscheidenden Einfluss auf die Implementierung einer evidenzbasierten physiotherapeutischen Praxis [4].
Die Anwendung von EBP beinhaltet vier Arbeitsschritte. Zuerst erfolgt eine umfangreiche Recherche auf Datenbanken, beispielsweise PubMed. Im nächsten Schritt erfolgt eine kritische Analyse der methodischen Qualität der identifizierten Studie. Daran schließlich schließt sich die Interpretation und Implementierung der Ergebnisse für die physiotherapeutische Praxis an. Zum Schluss erfolgt die Evaluierung der Wirksamkeit der implementierten Schritte [2].
Quellen:
[1]A. Jentsch, „Evidenz: Beispiele & Bedeutung einfach erklärt“, Focus Online. Zugegriffen: 1. März 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://praxistipps.focus.de/evidenz-beispiele-bedeutung-einfach-erklaert_155296
[2]K. Ehrenbrusthoff, „Das Konzept der evidenzbasierten Praxis in der Physiotherapie – Ein Plädoyer“.
[3]S. Aldajah u. a., „Evidence- based physiotherapy practice in Jordan: Evaluation and identification of implementation factors“, Physiother. Theory Pract., Bd. 39, Nr. 12, S. 2723–2739, Dez. 2023, doi: 10.1080/09593985.2022.2098212.
[4]L. Scurlock-Evans, P. Upton, und D. Upton, „Evidence-Based Practice in physiotherapy: a systematic review of barriers, enablers and interventions“, Physiotherapy, Bd. 100, Nr. 3, S. 208–219, Sep. 2014, doi: 10.1016/j.physio.2014.03.001.